Bäderarchitektur Usedom

Bäderarchitektur Insel Usedom Die Bergstraße in Bansin gehört zu den schönsten Bäderarchitektur-Ansichten auf Usedom

Die Bäderarchitektur auf der Ostsee-Insel Usedom ist ein wahrer Gästemagnet. Die herrschaftlichen Villen aus der Gründerzeit sind auf Usedom in den Seebädern Zinnowitz, Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck zu finden. Die „Kaiserbäder“ der Insel Usedom veranstalten jedes Jahr im September die „Woche der Bäderarchitektur“ mit speziellen Vorträgen, Rundgängen und Veranstaltungen rund um diesen einzigartigen Baustil, der eigentlich gar kein eigener ist.

Der Reiz der Küstenzone Mecklenburg-Vorpommerns
Die Küstenzone Vorpommerns ist ein Touristenmagnet erster Güte. Breite Strände mit feinem, hellem Sand ziehen schon seit Beginn des 19.Jahrhunderts Besucher besonders aus den Ballungsgebieten Mitteldeutschlands an. Inspiriert von Reisen in südliche europäische Länder wie Italien und Frankreich entdeckten seither immer mehr gut betuchte Menschen ihr Urlaubs- oder Zweitdomizil an der vorpommerschen Küste. Erste Bauherren waren Einheimische, Berliner und Stettiner Bürger. Seither hat sich ein spezielles Urlaubsflair entlang der vorpommerschen Küste entwickelt, welches durch die städtebaulichen, baulichen und landschaftsgestaltenden Anlagen reizvoll unterstützt wird.

Die historische Entwicklung bis 1945
Das erste deutsche Ostseeheilbad Heiligendamm wurde 1793 eröffnet und diente kurz darauf als Sommerresidenz der Herzöge von Mecklenburg-Schwerin. In Vorpommern auf der Insel Rügen gründete Fürst Malte zu Putbus 1815 ein Seebad, welches „ein Versammlungsort für die feine Welt“ werden sollte. In diesem Zeitraum entstand auch Swinemünde auf Usedom (heute Świnoujście). Es folgten 1851 Zinnowitz, 1852 Ahlbeck, 1855 Heringsdorf und 1897 Bansin.

Die Bädervillen im Stil der Bäderarchitektur schmiegen sich dicht an dicht an der Strandpromenade in Bansin auf der Insel UsedomMit Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelten sich zahlreiche Orte auf Rügen und Usedom zu Seebädern oder Seeheilbädern – zumeist zum Wasser hin, wodurch neue Ortsteile mit Promenadenbebauungen entstanden. Die historischen Ortskerne blieben zwar größtenteils erhalten, konnten jedoch anfänglich an dem aufsteigenden Boom weniger teilhaben.

In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts stieg der Bedarf an Beherbergungsbauten und kulturellen Angeboten. Von 1901 bis 1910 erfolgte der Ausbau der Orte, da sich in dieser Zeit die Gästezahl geradezu verdoppelte. Größere Pensionen und Hotels lehnten sich dem Stilpluralismus der Gründerzeit an. Neben neogotischen Elementen in den Fassaden traten Neorenaissance-Türme und neobarocke Dachgestaltungen auf – Referenzen an den seinerzeit aktuellen Eklektizismus.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden wegen dem Niedergang der Wirtschaft nur wenige Neubauten errichtet. Die Entwicklung der Badeorte nach dem Zweiten Weltkrieg verlief langsam. Es herrschte Wohnungsknappheit, und viele Gebäude waren von Flüchtlingen bewohnt. Die damalige DDR- Regierung hatte 1953 viele Eigentümer in der berüchtigten Aktion „Rose“ enteignet; die Gebäude wurden Staatseigentum. Wegen fehlender Gelder, aber insbesondere wegen fehlender historischer Akzeptanz waren viele Objekte dem Verfall preisgegeben. Etliche Gebäude wurden dem damaligen Gewerkschaftsbund zugewiesen. Für die hier massenhaft unterzubringenden Urlauber wurden Häuser ohne Achtung historischer Bezüge umgebaut. Auf erhaltenswerte Details wurde kein Wert gelegt. So befanden sich viele Bauten der Bäderarchitektur 1989/1990 in argen Bauzuständen.

Die Privatisierungen zu Beginn der 90-er Jahre ermöglichten fach- und standartgerechte Modernisierungen. Die Denkmalliste ist erweitert worden. Während auf Usedom über 520 Gebäude der Bäderarchitektur unter Denkmalschutz stehen, sind auf Rügen über 300 Gebäude auf der Denkmalliste registriert.

In der Bäderarchitektur-Villa Staudt in Heringsdorf auf der Insel Usedom war Kaiser Wilhelm II gern zum Teebesuch bei Konsulin StaudtDer Charme der Bäderarchitektur
Baugeschichtlich ist Bäderarchitektur ein Phänomen. In der europäischen Kunst- und Architekturgeschichte hat dieses Genre noch keinen festen Platz, da es bisher weder als Stilrichtung noch als spezielle Bauform wissenschaftliche Anerkennung fand. Dennoch findet man an den Bäderbauten einen Gestaltungsreichtum aus diverse klassischen Architektur- und Baukulturen von der Renaissance, dem Barock über die Neogotik, die Neorenaissance, den Neobarock bis hin zum Klassizismus, zum Jugendstil und zum Historismus.

Der Kunst- und Bauhistoriker Dr. Klaus Winands vom Landesamt für Denkmalpflege Mecklenburg- Vorpommern bezeichnet den Begriff Bäderarchitektur in dem gleichnamigen Buch wie folgt: „Bäderarchitektur ist weder Stilrichtung noch spezifische Baugattung, sie zeichnet sich vielmehr durch verschiedene Komponenten von Stilen, Ausstattungselementen und Nutzungsarten aus, die im Hinblick auf ihren Zweck gleichwohl unter dem Begriff zusammengefasst werden können.“ Ein Stilmix also, der als Ergebnis des freien Umgangs mit den Gestaltungselementen klassischer Epochen zu repräsentativen Zwecken der Erholung unter besonderer Nutzung der klimatischen und naturräumlichen Standortsituationen entstanden ist und dessen begriffliche Bestimmung weit gefasst werden kann.

Ob derartige Gestaltungsvielfalt gut oder schlecht zu werten ist, fragt sich – außer einigen Baukunstfachleuten - eigentlich niemand. Unbestritten ist jedoch, dass die städtebauliche Geschlossenheit dieser speziellen, überwiegend weißen und durch Formenreichtum doch so bunten Bauensembles an der vorpommerschen Küste inzwischen weltweit Aufmerksamkeit erregt. Für die Inseln Usedom und Rügen avanciert diese Bebauung zu einem speziellen Markenzeichen der Küstenregion mit hohem Marketingeffekt.

Bäderarchitektur-Villa an der Strandpoomenade in Heringsdorf auf der Insel UsedomDer „feine“ Unterschied in Mecklenburg-Vorpommern

Fachleute und Touristiker vermerken an dieser Stelle sehr gern den gewissen Unterschied zwischen der Seebäderarchitektur an der Küste und der Bäderarchitektur im Binnenland. Ein Unterschied mit Augenzwinkern und mit Marketingeffekt. Man nehme es gelassen. Spezielle Standortsituationen an der Küste oder im wasser- und waldreichen Binnenland prägen natürlich auch spezielle Bauweisen. Jedoch liegen die Zweckbestimmungen der Bäderbauten gar nicht so weit voneinander entfernt.

Allerdings vermitteln pure Lust und sorgenfreies Urlaubsvergnügen unter dem Motto“ Sehen und gesehen werden“ an der Ostseeküste mit Flaniermeilen, Seebrücken, Konzertmuscheln, Parkanlagen, Spielbanken und Restaurants eben genau diesen kleinen Unterschied zu den überwiegend medizinisch etwas seriöser geprägten Bädern des Binnenlandes. Wer möchte, mag dies an üppiger oder eher gediegener Gestaltung standortkonkret nachempfinden.

Bäderarchitektur-Villa Augusta an der Heringsdorfer Strandpormenade, Insel UsedomBäderarchitektur auf den Inseln Usedom und Rügen

Städtebauliche und hochbauliche Maßstäblichkeit, Baufluchtentreue und klare Gliederungen sowie Detailvielfalt bestimmen das Erscheinungsbild der Bäderbauten in Vorpommern. Reizvoll, orientierend und einladend erscheinen an Straßenkreuzungen aufwendige Eckbebauungen. Bauten der Bäderarchitektur erstrecken sich vorwiegend über 2 bis 3 Geschosse in überschaubaren, haustypischen Geometrien von Länge und Breite. Die Dächer bleiben in ihrer Massivität eher harmlos hinter aufwendigen Gestaltungen der Dachzonen – häufig auch mit südländisch anmutenden Balustraden – zurück. Stehende Fensterformate in zusammenhängenden Fensterbändern über ganze Etagen gestatten das Naturerlebnis zu allen vier Himmelsrichtungen.

Im Gegensatz zu den zahlreichen filigranen Fassaden der Bäderbauten Rügens mit offenen Veranden, auffälligen Holz und Metallornamenten, durchbrochenen Giebeldreiecken, durchgesteckten und teils verzierten Balkenköpfen und vielen anderen, Leichtigkeit vermittelnden Gestaltungselementen dominiert auf der Insel Usedom der hauptstädtische Einfluss. „Die Badewanne Berlins“, wie Usedom seit je genannt wird, widerspiegelt anschaulich die massive Gediegenheit prunkvoller Hauptstadtvillen. Loggien sind häufig massiv gebaut und aufwendig mit Säulen und Stuck gestaltet. Nicht selten betonen vorgehängte Balkone und ausgeprägte Simse die horizontalen Fassadengliederungen, während Risalite und Türme die Vertikalen akzentuieren.

Bäderarchitektur-Villa Oechsel in Heringsdorf auf der Insel UsedomPrunkvolle Auffahrten durch geplante Parkanlagen charakterisieren die Villenarchitektur ebenso wie die pompös beeindruckenden, meist mittig angeordnete Gebäudeeingänge mit freien, davor liegenden Treppenaufgängen. Wenn sich die „Leichtigkeit des Seins“ dem geneigten Betrachter beim Bummel durch die Seebäder auf der Insel Usedom mit oder ohne Baustilfibel erschließt und auf ihn überträgt, so dass der Alltag für eine Weile in weite Ferne rückt, dann- ja dann hat diese Architektur an Vorpommerns Küste ihren Zweck erfüllt.

Text: Christiane Falck-Steffens

Foto: © nordlicht verlag

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